Ein Psalm

EIN PSALM
Es ist Krieg. Ein ratloser Psalm.
Aufgeschreckt bin ich, Ewiger,
reibe mir zitternd die Augen,
ein Traum muss es sein,
ein schrecklicher, ein Alptraum.
Entsetzt höre ich die Nachrichten,
kann es nicht fassen, Soldaten marschieren,
kämpfen und sterben. Es ist Krieg.
Der Wahn eines Mächtigen treibt sie
zu schändlichem Tun,
mit Lügen hat er sie aufgehetzt,
mit dem Gift seiner Hassreden.
In den Kampf wirft er sie,
missbraucht ihre Jugend, missbraucht ihre Kraft,
erobern sollen sie, töten sollen sie,
sein Befehl ist eiskalt.
Seine Nachbarn hat er zu Feinden erklärt,
ein Zerrbild gemalt, in den dunkelsten Farben
seiner wirren Machtphantasien.
Niemand wagt ihm zu widersprechen,
seine Claqueure halten still,
ein Marionettentheater umgibt ihn,
das er höhnisch bespielt.
Seine Bosheit hat Raffinesse,
listig und schamlos geht er voran,
die Versuche ihn umzustimmen
liess er ins Leere laufen,
umsonst sind sie angereistaus besorgten Ländern,
Friedensappelle und Warnungen liessen ihn kalt.
Angst und Schrecken verbreiten sich,
blankes Entsetzen,
wieviele Verletzte wird es geben, wieviel Tote?
Wann wird die gefrässige Gier des Tyrannen
gesättigt sein, wann der Blutstrom versiegen,
wann die Waffen schweigen?
Hilflos starre ich auf die Bilder und Meldungen,
meine Fäuste voll Wut,
in meinen Augen regnet es.
Fahr den Kriegstreibern in die Parade, Ewiger.
Allen! Leg ihnen das Handwerk,
lass sie straucheln und fallen.
Amen.
Stephan Wahl, Priester des Bistums Trier,
momentan in Jerusalem
